Dienstag, 28. Oktober 2008

Wahlkampf der Nationalratswahl 2008

„Es reicht!“, so wurde der Wahlkampf der Nationalratswahl 2008 von Wilhelm Molterer eingeleitet. Der ÖVP-Chef zeigte sich letzten Juli sichtlich genervt von seinem Koalitionspartner und im Speziellen vom EU-Schwenk der SPÖ, die in einem Leserbrief an die Kronen-Zeitung eine Volksabstimmung in EU-Fragen gefordert hatte. Die Arbeit der Regierung war in den letzten eineinhalb Jahren stagniert. Ein unerträglicher Hickhack hatte jegliche Erneuerung blockiert. Daher stellte Wilhelm Molterer den Antrag einer Neuwahl.

Von diesem Wahlkampf sind mir einige positive und einige negative Eindrücke geblieben, die ich an den Beginn meines Aufsatzes stellen will. Schon in der Hauptschule zeigte ich politisches Interesse, welches stetig wuchs und einen ersten Höhepunkt am 28. September 2008 erreichte. Das war der Tag der Nationalratswahl, an dem ich erstmals wählen durfte. Schon lange vorher beobachtete ich die Informationen aller Zeitungen, die ich in die Hände bekam, aller sonstigen Medien und Wahlplakate, die ich sonst zu Gesicht bekam, mit großem Interesse. Mir gefiel, wie Werner Faymann schon vor der Wahl für Maßnahmen gegen die Teuerung gekämpft hat. Das sollte zeigen, dass der Sozialdemokrat sich möglichst schnell und innovativ für die Österreicher einsetzt, und dass man seinen Wahlversprechen Glauben schenken kann. Er stellte sich dadurch als ein Politiker mit Durchsetzungskraft dar, anders als sein Vorgänger Gusenbauer, dessen Glaubwürdigkeit nach der Wahl 2006 sehr gelitten hatte. Auf den Wahlplakaten schien mir Faymann auch ein reifer und entschlossener Politiker zu sein, der von nun an Österreich in eine soziale und reformierte Zukunft führen wollte. Das Spotten über das berühmte Faymann-Grinsen, worüber sich manche Lesebriefschreiber und politisch anders Denkende genervt zeigten, konnte ich nicht nachvollziehen. Mir gefiel sein „Smile“.

Eher angewidert hat mich der rechtspopulistische Wahlkampf der beiden Parteien FPÖ und BZÖ. Insbesondere Heinz Christian Strache, der Spitzenkandidat der FPÖ, reduzierte alle Probleme unseres Landes auf die Ausländer und die EU. Seine Plakate fielen auf durch die Wörter „Heimat“, „wir“ und „Österreich“. Meiner Meinung nach hetzen die provozierenden Sprüche nur verschiedene Gruppen aufeinander.

Schlimm fand ich auch, als ich kurz vor den Wahlen einen persönlich adressierten Brief der FPÖ bekam, Wahlwerbung halt, mit einem Bild Straches, das sehr an Che Guevara erinnert. Da sind im wahrsten Sinn Welten dazwischen.

Fast genau so nationalistisch wirkten die Plakate des BZÖ. Dessen Spitzenkandidat Jörg Haider gab sich zwar sehr staatsmännisch, aus der Vergangenheit weiß ich aber, dass seinen Aussagen wenig Glauben geschenkt werden kann. Sein früherer Parteifreund und nunmehrige Kontrahent Strache nannte ihn im Wahlkampf immer wieder „Politclown“. Und er kennt ihn wahrscheinlich sehr gut.

Die Grünen sprachen mich als einzig wirkliche Jugendpartei an. Vor allem mit Van der Bellens ruhiger und ehrlicher Art, wie es auch auf den Plakaten suggeriert wird, gewann diese Partei meine volle Sympathie. Man hatte das Gefühl, jedes seiner Worte ist ehrlich und wohl überlegt. Niemals kam ihm ein sogenannter „Politsprecher“ über die Lippen.

Anders die ÖVP, sie hat meine „jungen“ Interessen in keiner Weise geweckt. Die Wahlplakate wirkten auf mich fad, und die Themen basierten oft auf Wirtschaftsfragen. Ich weiß natürlich, dass das bedeutend ist. Trotzdem brennen in meinem Herzen andere Interessen, was mir als Jugendliche meines Erachtens auch zusteht.

Das Thema Teuerung hat den Wahlkampf dominiert. Natürlich sind mir Maßnahmen dagegen wichtig. Aber mindestens genau so bedeutend sind für mich die Themen Bildung, Umwelt und Frauen, weshalb ich finde, dass ihnen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollen hätten. Ich möchte kurz erklären, was mir hier am Herzen liegt. Ein wichtiges Thema für mich ist die Gesamtschule aller Sechs- bis Fünfzehnjährigen, die nach all den vielen Jahren konservativer Bildungspolitik noch immer nicht realisiert ist. Interessanterweise war Österreich eines der ersten Länder, die dieses Thema auf den Tisch brachten, aber eines der letzten Länder, die es noch nicht durchgesetzt haben. Die Gesamtschule würde die Entscheidung darüber hinausschieben, welcher Bildungsweg der Richtige ist, was eine große Erleichterung für Kindern und Eltern wäre. Sie sollte auch für Chancengleichheit und für mehr Integration und Toleranz zwischen den Schülern sorgen. Die Studiengebühren gehören ebenfalls abgeschafft, damit jedermann, egal aus welcher Bevölkerungsschicht, zu seinem Berufsziel kommt. Denn Bildung sollte keine Herkunftsfrage sein.

Wichtig ist mir auch die Umweltpolitik. Eine ausgezeichnetes Signal an die Umwelt wären die „Gratis Öffis“ für ganz Österreich. Das wäre nicht nur ein verlockendes Angebot für Autofahrer, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen und somit die Umwelt zu schützen, sondern auch für die Schüler, Studenten und anderen Pendlern, um deren Geldbörse zu schonen. Auch der Umstieg von Gas beziehungsweise Öl auf Pellets und alternative Energiequellen wäre förderungswürdig und Ziel führend für eine vorbildliche Umweltpolitik Österreichs.

Als Frau sind mir schließlich auch Frauenthemen ein Anliegen. Frauen sind im 21. Jahrhundert immer noch benachteiligt, besonders im Berufsleben. Überproportional viele Frauen arbeiten Teilzeit, verdienen weniger und sind stärker von Armut betroffen, heißt es in einem Bericht der EU-Kommission. Alle Fragen der Gleichstellung und Chancengleichheit von Frauen und Männern müssten thematisiert und dringend werden. Betreuungseinrichtungen für Kinder müssen weiter ausgebaut werden ebenso wie die Verantwortung der Männer für Haushalt und Kindererziehung.

Viele sprechen momentan von der so genannten Politikverdrossenheit und Wahlmüdigkeit. Bei der Nationalratswahl 2006 waren die Nichtwähler theoretisch sogar die drittstärkste Partei. Immer wieder hört man Sprüche wie „Die machen doch eh, was sie wollen.“ oder „Die lügen dich ja sowieso nur an.“ Doch ist es wirklich so dramatisch? Ich bin der Meinung, dass Politikverdrossenheit viel zu groß geschrieben wird. Ich denke, für viele Menschen gehört es zum Ritual, allgemein über Politik zu schimpfen. Es entbindet sie der Verpflichtung, öffentlich zu ihrer Meinung stehen zu müssen. Man kann sich viel leichter hinter solchen Floskeln verstecken.

Und außerdem: Gehört es nicht auch zu einer Demokratie, die Freiheit zu haben, sich nicht um Politik zu kümmern? Nach einer IFES- Studie kann die Politikverdrossenheit ohnehin nicht so verbreitet sein. So geben 82% an, dass Politik gesellschaftlich wichtig ist, und nur 6% sehen darin keine Notwendigkeit für ein Zusammenleben.

Trotzdem müssen Politiker versuchen, das Vertrauen der Menschen (wieder) zu erlangen. Sie sollen den Menschen unseres Landes ihr Verhalten bei Abstimmungen genauer erklären und mit ihren politischen Gegnern anständig und respektvoll umgehen. Wir haben sie gewählt. Sie leben von unserem Geld. Sie sind uns etwas schuldig.

Wie schon erwähnt, prägte vor allem die Intention gegen die Teuerung den Wahlkampf. Natürlich ist es das populistische Thema schlechthin, denn die Inflation betrifft alle, jede Bevölkerungsgruppe. Andererseits „vergaßen“ die Parteien, dass auch bei vielen anderen Themen Reformbedarf besteht. Eine Gesundheitsreform, wäre dringend notwendig, bevor die Kassen Pleite gehen. Auch eine Staats- und Verwaltungsreform, die finanziellen Raum für die nächste Steuerreform lassen würde, wären nicht weniger wichtig.

Schlussendlich möchte ich noch erwähnen, dass mich der Wahlkampf 2008 vom Anfang bis zum Wahltag sehr mitgerissen hat. Doch bin ich jetzt froh, diese aufregende Sache vorläufig abhaken zu können, obwohl die Koalitionsverhandlungen auch recht spannend sind. Aber das ist ein anderes Thema.